Neonatizid und Schwangerschaftsnegierung

Neonatizid ist die Tötung eines Kindes in den ersten 24 Stunden nach der Geburt. Der Tötung geht ein monatelanger Prozess von „Negierung“ voraus: Dieser Begriff stammt aus der Psychoanalyse und meint einen psychologischen Abwehrmechanismus, durch den tabuisierte oder bedrohliche Inhalte dem Bewusstsein ferngehalten werden.

Die Frau kann aufgrund verschiedener Traumata und/oder einer Persönlichkeitsstörung die Schwangerschaft nicht wahrhaben, negiert sie, und ihr soziales Umfeld hat – unabhängig von der Lebenssituation – häufig keine Kenntnis der Schwangerschaft.  Eine Auseinandersetzung mit der ungewollten Schwangerschaft findet folglich nicht statt.

Eine negierte Schwangerschaft kann sehr tragisch enden. Oft entscheidet der pure Zufall darüber, ob sie vorher bemerkt wird oder ob die Mutter das Kind allein bekommt. Gerät die Frau in Panik, kann es vorkommen, dass das Baby aus Angst vor Entdeckung erstickt wird oder irgendwo abgelegt. Pro Jahr werden in Österreich 3 tote Neugeborene gefunden. (Repeated neonaticide: differences and similarities to single neonaticide events. 2019, Archives of Women’s Health)

Towards a new understanding of pregnancy denial: the misunderstood dissociative disorder   

Diana Lynn Barnes 

 

Negierte Schwangerschaft

Am 8. März 2023 kommt in Frankreich ein neuer Film zu diesem Thema. Hoffentlich bald auch im deutschsprachigen Raum!

Claire (Maud Wyler) und Sophie (Géraldine Nakache) haben zusammen studiert und sind beide Anwältinnen. Claire wird wegen versuchten Mordes an einem Kind unter 15 Jahren angeklagt. Sophie wird ihre Verteidigung übernehmen. Wie konnte Claire, die bereits Mutter von zwei Kindern war, weder sehen noch spüren, dass sie erneut schwanger war?

Den Trailer hier ansehen

Mehr zum Thema

Finissage

30.03.2022
Finissage »…Vor Schand und Noth gerettet« ?!
Geöffnet ab 13:00 Uhr – Führungen bei Bedarf 16:30 – 18:00 Uhr Erzählcafé „Geburtsgeschichten“
Persönliche Erinnerungen, Erfahrungen und Erzählungen rund um das Thema Geburt

in Kooperation mit der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen
Moderation: Sabine Bergthaler, Barbara Egger

Maximal 20 Teilnehmer*innen
Anmeldung: per Mail an bm1080@bezirksmuseum.at

19:00 Uhr Vortrag von Verena Pawlowsky
„Vor Schand und Noth gerettet“

Der Vortrag schildert die Funktionsweise des Wiener Findel- und Gebärhauses im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert, als diese Doppelanstalt der Geburtsort einer großen Zahl von Kindern und eine zentrale Sozialeinrichtung für ledige Mütter war. Der Anspruch, unehelich Kinder zu versorgen, wurde durch eine zum Teil exorbitant hohe Sterblichkeit konterkariert. Jene Kinder, die überlebten, wuchsen bei Pflegefrauen unter oft ärmlichen Bedingungen auf. Noch heute stoßen Menschen, die sich mit der Geschichte ihrer Familie beschäftigen, immer wieder auf das Wiener Findelhaus.

Maximal 70 Teilnehmer*innen
Anmeldung: per Mail an bm1080@bezirksmuseum.at

Ernst Berger Preis

Für die Publikation „The anonymously adopted child: Impact of age and parental psychopathology on adoptees‘ mental health“ erschienen in: Children and Youth Services Review (2020) wurde an Dr. Jennifer Kernreiter et al. der Ernst Berger Preis für Sozialpsychiatrie 2021 für die wissenschaftliche Originalarbeit verliehen. Der Preis wurde im Rahmen des 35. Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (ÖGKJP) – Vergangenes Reflektieren – Perspektiven Eröffnen am 24. September 2021 in Bad Tatzmannsdorf übergeben.

Hier der Link zur Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie zur Übersicht der Förderpreise und der Erwähnung der Preisträgerin Jennifer Kernreiter zur ‚Anonymen Geburt‘ Publikation.

ExpertInnen-Treffen in Graz

Seit 2018 organisiert die Kontaktstelle Anonyme Geburt der Caritas Graz jährlich ein ExpertInnen-Treffen mit AkteurInnen aus den betroffenen Berufsgruppen: Gynäkologie, Hebammenausbildung, Psychiatrie, Kinder-und Jugendhilfe im Bereich Adoption, Recht und Gewaltschutz.

Wir wurden eingeladen die Schwerpunkte und aktuelle Studien der Arbeitsgruppe vorzustellen. Stéphanie Galliez schaffte einen Überblick über die Aufgaben und die bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppe. Dr Jennifer Kernreiter präsentierte ihre aktuelle Arbeit:The anonymously adopted child: Impact of age and parental psychopathology on adoptees’ mental health

Wir danken allen TeilnehmerInnen für den interessanten Austausch!

 

 

Wissen über biologische Mutter verbessert Beziehungen in der Adoptivfamilie.

Die erste anonyme Geburt in Österreich war vor genau 20 Jahren.

In mehreren Studien untersuchte die Kinder und Jugendpsychiaterin Claudia Klier von der MedUniWien verschiedene Aspekte des Spannungsfeldes zwischen dem Recht der biologischen Mutter auf Anonymität und dem Recht der Kinder auf das Wissen um ihre Herkunft. Gemeinsam mit der Klinischen Psychologin Anna Felnhofer erforscht sie derzeit die Auswirkungen der anonymen Geburt auf die Kinder. In der ersten dazugehörigen Studie vom Dezember 2020 wurden 97 Adoptiveltern zur Gesundheit ihrer adoptierten Kinder befragt. Es zeigte sich, dass die anonym geborenen Kinder mehrheitlich gut entwickelt waren und kaum psychische Auffälligkeiten im Vergleich mit der Norm hatten.

Für die daran anknüpfende, aktuelle Studie wurden abermals Adoptiveltern von Kindern im Alter von einem bis achtzehn Jahren befragt. Der Fokus lag dabei auf der Qualität der elterlichen Beziehung und hierbei vor allem auf dem „Dyadic Coping“, welches die Fähigkeit der elterlichen Stressbewältigung umfasst. Hintergrund ist die Annahme, dass Adoptiveltern mehr Stressfaktoren ausgesetzt sind als leibliche Eltern. Dabei wurden kaum Unterschiede zwischen Adoptivmüttern und -vätern festgestellt.

Mehr auf der Website der MedUniWien.

 

Sie reden darüber:

Schroedingerskatze.at

Pflege-professionell.at

Vienna.at

Studium.at

Neue Publikation

Ein großer Diskussionspunkt rund um die anonyme Geburt bleibt aber das Argument, dass anonym geborene Kinder Schaden nehmen würden aufgrund der Tatsache, dass sie ihre biologischen Eltern in der Regel nicht kennenlernen können, siehe unseren Report.

Diesem Phänomen auf den Grund zu gehen hat sich unser aktuelles Projekt verschrieben, und in kurzer Zeit konnten 2 Publikationen veröffentlicht werden, die genau dieser Fragestellung nachgehen.

In der  am 20. März  publizierten Arbeit geht es um das Wissen über die biologischen Eltern in der Adoptivfamilie und dessen Einfluss auf die Qualität der Partnerschaft. Es zeigte sich, dass mehr Wissen über die biologischen Eltern, höheres Alter der Adoptiveltern, junges Alter der anonym geborenen Kinder und weniger psychische Auffälligkeiten dieser die elterliche Anpassung verbessert. Dies zeigt, dass das Wissen über die biologischen Eltern im Familiensystem sehr wohl einen positiven Effekt hat. (Felnhofer et al., 2021)

Link zur Publikation

https://link.springer.com/article/10.1007/s12144-021-01620-y